Beyond the Fence, porträtiert den in Frankfurt am Main gelegenen Stadtteil Ostend. Das zentrumsnahe Viertel befindet sich durch enorme städtebauliche Sanierungsmaßnahmen auf dem Weg von einem ehemals gewerblich-industriell geprägten Arbeiterviertel, zu einem attraktiven Stadtquartier.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts, ausgelöst durch die wachsende Industrialisierung und dadurch einsetzende Wohnungsknappheit in den Städten, wurde damit begonnen in der östlichen Außenstadt Frankfurts sowohl Wohnhäuser für das Bürgertum als auch einfache Wohnungen für Arbeiterhaushalte zu errichten. Nach der Jahrhundertwende entwickelte sich das Ostend dann zu einem industriell geprägten Arbeiterviertel. Es entstanden neben dem Bau vieler Gleise durch die verkehrstechnischen Erschließung und den Ausbau der Eisenbahn, der Osthafen (Einweihung 1912) und in den 1920er-Jahren die Großmarkthalle. Das Ostend war deshalb bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts durch die Nähe zu lärmbelästigenden Gewerbebetrieben, den großen Durchgangsstraßen und sich durch das Viertel ziehenden Gleisen, ein Gebiet mit geringem Wohnwert, welches die Konzentration sozial schwächerer Bevölkerungsgruppen aufwies. In den 1980er Jahren begann die Stadt mit den Versuchen das Ostend aufzuwerten, allerdings noch mit Maßnahmen, welche die Verdrängung einkommensschwacher Schichten verhindern sollte. So waren zum Beispiel Fördermittel für Sanierungsmaßnahmen an Mietobergrenzen gebunden und es wurde Neubau noch hauptsächlich als sozialer Wohnungsbau betrieben. Die frühen Aufwertungsbestrebungen waren von daher auch um sozialen Ausgleich bemüh.
Die historische Entwicklung des Arbeiterviertels, die Jahrzehnte lang Menschen mit niedrigen Einkommen, Tagelöhnern, Migranten und Arbeitslosen günstigen Wohnraum bot, spiegelte sich auch lange Zeit in den relativ geringen Grundstückspreisen wieder. Diese waren im Ostend bis Mitte der 2000er-Jahre deutlich langsamer gestiegen als in anderen sowohl innenstadtnahen als auch am Stadtrand gelegenen Vierteln. Immobilieninvestoren gingen Ende der 1990er Jahre noch davon aus, dass das Potenzial, im Ostend höhere Mieten durchsetzen zu können, trotz der zentralen Lage, gering sein würde.Dies änderte sich entschieden ab Anfang bis Mitte der 2000er Jahre mit dem Beschluss der Europäischen Zentralbank (EZB), ihren Sitz ins Frankfurter Ostend zu verlegen. Auf dem ehemaligen Areal der Großmarkthalle wurde die neue Zentrale – aus zwei bis zu 185 Meter hohen Türmen – erbaut. Die Entscheidung führte zu einer massiven symbolischen Aufwertung des Stadtteils. Spätestens seitdem erfährt das Viertel eine seiner größten Veränderungen und ist in den Fokus der medialen Aufmerksamkeit gerückt.
Im Zuge dessen gingen zahlreiche materielle Aufwertungsmaßnahmen direkt auf konkrete Forderungen der Europäischen Zentralbank zurück, wie die Umgestaltung des Danziger Platzes, die Modernisierung des Ostbahnhofes und der Bau einer neuen Brücke über den Main. Das Ostend rückte dadurch immer stärker ins Blickfeld der Immobilienbranche. Anleger und Baufirmen sahen ihre Chance und investierten in neue Wohnkomplexe, Hotels, Cafés, Restaurants und Geschäfte. Insgesamt entstanden mehr als 3000 neue, überwiegend gehobene und exklusive Miet- bzw. Eigentumswohnungen.
Der Anteil von Sozialwohnungen in Frankfurt ist seit Anfang der 1990er-Jahre von etwa 20% auf c.a 8% des Wohnbestandes (2013) gesunken. Das spiegelt sich auch im Ostend wieder, wo im Jahr 2014 nur noch 5,4% der Wohnungen einer Sozialbindung unterlagen.
Die Folgen sind auch an der Entwicklung der Mietpreise erkennbar. Die Mieten stiegen deutlich und höher als in anderen Wohngebieten, im Zeitraum von 2009 – 2014 in Frankfurt um ca. 20,2%, im Ostend um ca. 29,3%. Einige der alteingesessenen Mieter/innen und Ladenbesitzer können sich diese Mieten nicht mehr leisten. Dadurch wandelt sich die soziale Durchmischung des Stadtteils und damit verändert sich auch der Charakter und das soziale Alltagsleben im Viertel.
Seit 2014 beobachte ich diese Transformation bewusst und dokumentiere mit meinen Fotografien den Wandel. Das Ostend repräsentiert für mich dabei auf engstem Raum die immer größer werdende soziale Kluft zwischen Arm und Reich. So begegne ich Gewinnern und Verlierern dieses Veränderungsprozesses auf meinen Wegen durch das Viertel. Mein Interesse gilt dabei vor allem den Folgen des gesellschaftlichen Wandels, den Geschichten der Menschen und den Auswirkungen auf ihren Lebensraum.